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Diskussionsanstoß der FDP Neumünster Die Situation der öffentlichen Haushalte zwingt zu völlig neuen Überlegungen Quelle: www.fdp-nms.de 06. März 2005: Diskussionsanstoß: FDP-Kreisvorsitzender Reinhard Ruge spricht sich für das Ausprobieren regionaler Komplementärwährungsmodelle aus:
Die öffentlichen Kassen sind leer, egal ob beim Bund, den Ländern oder den Kommunen. Unsere Gesellschaft befindet sich in einer Krise. Der Sozialstaat leistet nicht mehr das, was er kostet. Der Gesellschaft geht die Lohnarbeit aus, oder besser gesagt, die Fähigkeit, notwendige Arbeit angemessen zu bezahlen.
Die Verschuldung von Bund, Ländern und Kommunen wächst in gigantische Höhen, und die kommunalen und staatlichen Institutionen können aufgrund ihrer immer knapper werdenden Gelder den öffentlichen, sozialen und kulturellen Aufgaben nicht mehr hinreichend gerecht werden. Kirchen müssen ihre Organisten entlassen, Kindergartenneubauten können nicht mehr finanziert werden und Diakoninnenstellen werden auf halbe oder viertel Stellen reduziert. Die Finanzierung unserer Sozialsysteme steht auf tönernen Füßen und wird immer fragwürdiger.
Bei der Gestaltung des städtischen Haushaltes stehen wir vor der Alternative, nichts zu tun, was mit dem Ausgeben von Geld verbunden ist, oder das Falsche, nämlich neue Schulden auf die alten zu packen.
Wir stehen vor Haushaltsberatungen, und unabhängig von einzelnen Details ist eines ganz sicher: Das zur Verfügung stehende Geld wird vorne und hinten nicht reichen, um auch nur annähernd den Aufgaben gerecht zu werden, denen sich die Stadt gegenübersieht. Man kann es auch noch deutlicher formulieren: Es stehen Null Euro zur Verfügung! Alles, was für wichtig und unentbehrlich gehalten wird, müßte mit neuer Kreditaufnahme finanziert werden.
Aktuell haben wir es Ende 2005 in Neumünster mit einem prognostiziertem Gesamtfehlbedarf von 28,9 Millionen € zu tun. Dringend nötige Investitionen können ohne weitere Verschuldung nicht getätigt werden, freiwillige Leistungen der Stadt müssen zurückgenommen werden. Die Politik gerät in einen Zustand der Lähmung und der nahezu völligen Handlungsunfähigkeit. Politik steht vor der Wahl, das haushalts- und finanzpolitisch Vernünftige zu tun, den Konsolidierungskurs weiterzufahren, dafür aber auch keine erwähnenswerten Projekte realisieren zu können oder es so zu machen, wie ganze Politikergenerationen vor uns es getan haben, nämlich sich neu zu verschulden, um das Wünschenswerte möglich zu machen und die Rückzahlung späteren Generationen zu überlassen. Ich habe den Verdacht, dass wir bereits diese „spätere Generation“ sind, denn jahrzehntelang haben unsere Vorgänger nichts anderes gemacht.
Die Versuchung ist groß, es genauso zu tun – schließlich will man wiedergewählt werden. Man kann sich sehr gut neben einem neu gebauten Kindergarten oder einer renovierten Schule fotografieren lassen, nicht aber neben einem sanierten Haushalt oder zurückgefahrenem Defizit. Womit will man also glänzen? Müssen wir uns vor unserer Zukunft fürchten? Steht Armut an? Haben wir nur die Wahl zwischen Pest und Cholera? Und ... liegt das alles allein an der gegenwärtigen Regierung? Könnte es sein, daß auch eine andere Regierung die Probleme nicht wesentlich besser lösen kann? Ist es denkbar, daß unsere Probleme ihre Ursache in unserem Geld- und Währungssystem selbst haben und daß ohne sehr radikale Änderungen die Probleme unlösbar bleiben?
Wenn wir verantwortlich handeln wollen, müssen wir jede, ausnahmslos jede Leistung der Stadt, zu der sie nicht gesetzlich verpflichtet ist, streichen: keinen Euro für die Subventionierung des Theaterbetriebes mehr, keine VHS, keine Stadtbücherei, keine Förderung und Unterstützung für Sport, Kinder- und Jugendarbeit usw. Kann das irgendeine Partei, irgendein Politiker überleben?
In früheren Jahren durfte man noch darauf vertrauen, daß nach Jahren der Flaute der Konjunkturmotor irgendwann wieder anspringt. Aber selbst wenn er das wieder tut, wofür wirklich nicht sehr viel spricht, werden wir es erleben, daß Unternehmen expandieren können, ohne zugleich neue Jobs zu schaffen. Die Probleme bleiben uns erhalten: der demographische Wandel, die noch längst nicht abgeschlossene Automatisierung und Computerisierung von Fertigungsprozessen und Dienstleistungen und die Entwicklung unserer Zins- und Tilgungsleistungen auf allen Ebenen.
70% des anlagesuchenden Kapitals weltweit werden heute in China angelegt. Um die Länder Westeuropas und selbst Nordamerikas macht es einen großen Bogen.
Das alles ist aber beileibe nicht das Werk finsterer Turbokapitalisten, das ist nichts anderes als die innere Logik und Gesetzmäßigkeit unserer Geld- und Währungsordnung. Keine Steuergesetzgebung und keine Appelle an den Patriotismus können daran irgendetwas ändern. So wie sich Wasser immer am tiefsten Punkt versammelt, so versammelt sich Geld immer da, wo es sich selbst am besten reproduzieren kann. Und das sind heute andere Länder als Westeuropa. Wir müßten unser Lohnniveau auf das der Tschechei und unser Sozialniveau auf das der USA zurückfahren. Will das ernsthaft jemand tun? Ich nicht. Solange wir den Bezugsrahmen und die Gesetzmäßigkeiten unserer Geld- und Währungsordnung anerkennen, werden wir lediglich den Mangel verwalten, nicht aber den Wohlstand mehren.
Ich glaube, wir müssen umdenken und zwar sehr radikal. Wir müssen uns der Tatsache stellen, daß unser Geld- und Währungssystem durch die Kopplung an den Zins- und Zinseszinsmechanismus und damit verbunden an die Logik exponentiellen Wachstums den Keim seiner eigenen Selbstzerstörung in sich selbst trägt. Wir rasen mit hoher Geschwindigkeit auf eine Wand zu, wir wissen nur noch nicht, wo genau die Wand ist!
Gibt es also keinen Ausweg? Doch. Auf lokaler Ebene sind Privatpersonen längst dabei, eigenes selbstgeschöpftes „Regiogeld“ zu entwickeln und zu verwenden. Es wird Zeit, daß sich die Politik damit befaßt und Städte und Gemeinden sich daran beteiligen. Bei den gegenwärtig anstehenden Haushaltsberatungen hilft uns das überhaupt nicht weiter. Aber auf mittlere und längere Sicht bietet es völlig neue Möglichkeiten für organisches Wachstum, Beschäftigung und breiter gestreuten Wohlstand. Kann irgendetwas in der Politik wichtiger sein?
von: Martin Westendorff
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